Too much time thinking and a strange happening
I thought about the table, deep in philosophically doubt, if it really does exist... but suddenly the table looked back at me, in deep philosophically doubt about MY existence!
Too much time thinking and a strange happening
I thought about the table, deep in philosophically doubt, if it really does exist... but suddenly the table looked back at me, in deep philosophically doubt about MY existence!
André van Markow
Bahnfahrt
Lass uns reden
Nur eine Bahnfahrt lang
Ein schüchternes Lächeln
Eröffnet die Unterhaltung
Über Gott und die Welt
Vom Wetter zur Revolution
Dein Bekenntnis zum Atheismus
Spiegelt das Meine
Ein Band von Nietzsche
In Deiner Hand
Wärmt mein Herz
Du studierst Germanistik
Trümmerliteratur
Und plötzlich eine Erinnerung
Wie „Das irische Tagebuch“
Nach Berlin kam
Den Bahnhof Zoo zu sehen
Auf den Pfaden Christiane F.`s
Erträumte Limericks
Risse im Asphalt
Betonierter Umwelt
Deine Augen von smaragdener Farbe
Den leisen Anflug von sanfter Ironie
In deinem Lächeln
Werde ich nie vergessen
Deine Station jetzt und
Das Lebewohl letzter Blicke:
Wir leben mit offener Hand
Im Fluss der Augenblicke
Einzigartig und vergänglich
Melancholisch wie euphorisch
Das Nirwana freier Geister
Im Hier und Jetzt
(André van Markow)
Cage
Für Çağrı
Caught. In a cage.
From the beginning. It feels like.
Let’s have a Cigarette.
For a while.
It will last.
Let’s have a walk.
Let’s pace around.
I guess.
Let’s have a look. Outside.
If there is an outside.
Seems to be light. Sometimes.
Seems I hear voices.
But maybe. It’s a noise I made.
Cigarette. Pace.
Look. Around. Listen.
No. Cigarette. Pace. Ashes. Cough.
A paper. A pen.
A picture. A thought.
High. And full of joy.
Freedom. Love. Future?
Deep. More painfully.
Nerves. On fire.
Ashwa. Pace. Cigarette.
Even more thoughts.
Even more pictures.
Views from the inside
Views from an outside.
Paper. Pen.
Maybe I can write my way out.
Or calm down my nerves.
Cigarette. Pace.
Writing.
Wait. Look. Listen.
Seems to be a noise there!
But it’s not from the outside.
It’s here. It’s my pen. Scratching a paper.
While I hope. I hope.
A word can cut me out of here.
But. No.
Cage. Cigarette. Pace.
This place. Has a name.
Maybe.
You call it existence.
And another one: autism.
There’s only one exit. Now I know.
But it’s not for good.
It has another name.
Let’s be silent about that.
Whatever, wherever. It lasts. Until now.
A thought. Breath.
A „That is that.“ A „Yes“.
Consent .
Caught I will be.
On the outside.
But I get free.
Inside.
A little bit Zen. You know?
A breath. Then..
Cigarette.
Pace.
Cigarette.
(André van Markow)
sangen Franz Ferdinand 2003 auf ihre Debütsingle „Darts of Pleasure“ und bis vor ein paar Minuten war ich der Meinung, dass in dem Songtext auch das Wort „superelastisch“ vorkäme. Stimmt aber nicht. Falsche Erinnerung und falsche Erwartung – diese beiden sind ein Geschwisterpaar, das keiner mag, wenn es uneingeladen zu Besuch kommt. Falsche Erinnerung ist ein grobschlächtiger Typ im Freizeitanzug und mit Trauerrändern unter den Fingernägeln, der immer alles besser weiß, falsche Erwartung die nervige Zicke im geschmacklos gemusterten Kleid, die ungeduldig auf der Sprungfeder des Sofas wippt und dabei Kaffee aus einer angeschlagenen Tasse verschüttet. Um letztere soll es im nun folgenden Text gehen, meinem allerersten für Elas Omere. Ich hab’ mich aus diesem Anlass extra cool gestylt, mir den Augapfel gepierct (wie es in einem Song von PeterLicht heißt, weiß gerade nicht in welchem) und sitze superelastisch am Computer.
Unlängst verschlug es die Mitglieder von Elas Omere zu „1920ER! Im Kaleidoskop der Moderne“ Hier! in die Bundeskunsthalle Bonn, einer an sich ganz herrlichen Ausstellung, wohlkuratiert, mit interessanten Exponaten, Filmbeiträgen und der Möglichkeit, sich ausführlich vor Greenscreen in Zwanzigerjahre-Kulissen zu fotografieren, wovon wir selbstverständlich ausführlich Gebrauch machten. Und dann war da noch ein Salon zum Verweilen, in dem sich André van Markow derart in einen Sessel verliebte (Metall, schwarzes Leder, Le Corbusier), dass wir eine Weile festsaßen, was ich zum Anlass nahm, ausführlich den Ausstellungskatalog zu betrachten. Was soll ich sagen? Ich war absolut hingerissen! Ich las den Briefwechsel zweier prominenter Damen aus den Zwanzigern, die über weibliches Kunstschaffen und Bilder schrieben, die ich alle soeben gesehen hatte. Wie hatten die Ausstellungsmacher es bloß hingekriegt, das alles hier vorort zu versammeln? Meine Bewunderung wuchs ins Unermessliche, längst hatte ich beschlossen, später im Museumsshop zuzuschlagen, koste es, was es wolle, nehmt all mein Geld, aber gebt mir diesen Katalog! Doch Moment, war das alles nicht doch ein bisschen zu gut, um wahr zu sein? Zuerst hatte mich die überhaupt kein bisschen eingestaubte Sprache der Briefeschreiberinnen überrascht (wie unglaublich zeitgemäß, auch heute noch, wie frisch selbst für die flotten, avantgardistischen Zwanziger!), nun machte sie mich stutzig: Las sich das nicht doch ein bisschen so, als ahmte jemand literarisch nach, wie er sich so etwas vorstellte? Feministische Fantasie – konnte das sein? Ich suchte nach einem Hinweis im Inhaltsverzeichnis und unter dem Kapitelbeginn und fand ihn schließlich winzigklein in den Endnoten. Ja, verdammt noch mal, da hatte jemand seiner Imagination freien Lauf gelassen und ich war einfach so drauf reingefallen! Ich fühlte mich bösartig düpiert. Offenbar war es allzu leicht, mich zu täuschen. Hatte ich es also womöglich verdient? Da Falsche Erwartung weder Kaffee, Schampus noch Lachsfisch zum angewiderten Verschleudern dabeihatte, weckte sie André van Markow und es ging weiter zu Portraits, auf denen vermerkt stand, unter dem Einfluss welcher Substanzen sie entstanden waren. André van Markow war beinahe so begeistert wie von dem Le Corbusier-Sitzmöbel. Er ist theoretischer Morphinist/Kokainist.
Was also tun? Künftig doch lieber vor dem Lesen Informationen einholen, auch auf die Gefahr hin, sich voreingenommen zu machen oder zu spoilern? Oder lieber arglos im Zustand naiven Deppentums verbleiben? Ich weiß es noch nicht. Ist aber im Grunde auch egal. Auf mein schlechtes Gedächtnis ist Verlass. Irgendwann kommt sowieso Falsche Erinnerung um die Ecke, rülpst, zerquetscht eine Dose Bier und verkündet lautstark, wie es niemals war. Bis dahin versuche ich, mich nicht so leicht austricksen zu lassen. Und superelastisch zu bleiben. Elastico ist übrigens eine Finte beim Fußball. Aber das wusstet ihr bestimmt schon.
P.S.: Lest bitte unbedingt trotzdem:
(Ina Elbracht)
Mein Blick geht aus dem Fenster der Bahn auf die ewig
gleichen Häuser aus den Fünfziger Jahren. Müde. Bleischwer von Erfahrungen,
Befürchtungen, Erwartungen. Doch dann schießt mir etwas durch den Kopf, was ich
mir vor Urzeiten eingebläut habe, anerzogen. Eingraviert ins Hirn. Wie immer
man sagen will. Plötzlich drängt sich mir die Frage auf: die ewig gleichen
Häuser? Oder nicht doch eher der ewig gleiche Blick? Dieser
Ich-bin-auf-dem-Weg-zur-Arbeit-genau-wie-gestern-und-genau-wie-Vorgestern-und-genau-wie-morgen-Blick.
Dieser Blick, der alles nur im Vorbeigehen streift, im Übergang und zu allem
sagt: kenne ich, kenne ich. Kenne ich, aber neues Graffiti. Supermarkt. Kenne
ich. Ist das nicht mein Blick? Meine Gewohnheit? Bin nicht ich vielleicht der
Vater dieses Einerlei? Die Mutter der Langeweile? Der komische Onkel, der immer
in Birkenstock-Sandalen den Müll rausträgt, ohne sich noch zu freuen, dass es
s-e-i-n Haus ist, das er gerade verlässt, um sogleich wieder darin zu
verschwinden und Tatort zu schauen? Gott! Immer diese deutschen Filme. Schießt
es mir durch den Kopf. Kalte Belichtung. Leicht bläulich sogar. Die minimale
oder dann plötzlich völlig übertriebene Mimik der Schauspieler. Die ach so
kreativen Kamerafahrten. Als hätte Berthold Brecht überall Regie. Genau. Wo war
ich? Ach ja. Der Blick. Eine Kaskade von Assoziationen kommt in mir auf, soviel
gelesen, so oft daran gedacht. Synapsen machen sich auf den Weg, neue
Kreuzungen zu bauen, alte Bündnisse zu erneuern. Jeder schöpft aus seinem
Vorrat. Der Blick. Man müsste ihn wirklich immer als Subjekt betrachten, nicht
als passives Ereignis. Ganz wie die alten Idealisten sagen: Jedes Wesen ist ein
Subjekt, es entwickelt sich, am Ende hat es eine Geschichte, seine eigene
Geschichte. Es ist ihr Protagonist, sei es nun eine hehre Idee wie die der
Freiheit, sei es der Bleistift, mit dem ich gerade in der Hand spiele. Und so
auch der Blick. Er kann aufblitzen oder leer sein, er kann die Welt neugierig
durch große Pupillen verschlingen, wie man sie von Psychedelika bekommt. Jeder
einzelne Ausschnitt eine Idee, ein neuer Moment. Eine Frage eben. Der Blick
kann ein Tier sein, er ist sogar eines, er lauert regelrecht, hungrig, wie ein
Wolf. Wahrscheinlich auf alles, was neu wäre, was anders wäre. Eben nicht so
wie gestern, und vorgestern und letztes Jahr. Ein Blick, der sogar stechen
kann, beißen. Aber das tut er ja nicht einfach so. Der Blick, das sind ja wir
selber. Für Sartre, so fällt es mir plötzlich ein, war nicht nur der Blick,
sondern das ganze Bewusstsein immer außer sich, draußen, da hinten, bei der
Mauer. So ist mein Blick ich. Ich, der sich da an den Hauswänden langweilt,
ich, der sich selbst mit dem Blick auf den gegenüberliegenden versifften Sitz
anöde. Ich, der den Typen zum Kotzen findet, der dahinter an der letzten Tür
des Waggons lungert wie ein Schluck Wasser in der Kurve. Ich bin diese Leere.
Dieses Warten auf einen bestimmten Augenblick. Ich bin dieses Warten, das alles
zum Nebenher werden lässt. Alles abhakt. Abhackt. Das Warten auf die Bahn. Die
nächste Station. Diese Unterführung. Dieses Aussteigen. Die nächste Schicht im
Bergwerksstollen der gescheiterten Träume. Dieses Warten, das übrigens tötet.
Es tötet Momente. Es tötet das Leben. Es tötet dich selbst, wenn du verstehst,
was ich meine. Nicht sofort. Sondern sanft. Wie im Schlaf. Die Gewohnheit ist
das Kissen, das du dir selbst unterbewusst auf das Gesicht drückst. Ohne es zu
merken. Vielleicht träumst du schon von Atemnot während eines Tauchgang in der Südsee. Und dann, Zack,
kommt, worauf du solange gewartet hast: der letzte Herzschlag, die letzte
Entleerung. Oder war es die letzte Ölung? Ist dann aber auch egal. Wir werden
die meiste Zeit gewartet haben. Das heißt, wir werden unser Leben daran verschwendet
haben, Augenblicke zu morden. Und uns auch noch darüber beklagt zu haben.
Wieso machen mich Häuser aus den Fünfziger Jahren so depressiv? Noch habe ich keine Antwort. Vielleicht, weil ich weiß, dass hinter ihren Fassaden Hinterhöfe lauern. Und diese Fassaden verstecken diese Hinterhöfe nicht. Sie weisen darauf hin. Sie sind ein Zeichen dafür: hier, komm, geh durchs Treppenhaus, bis zur Tür am andern Ende des Flures, mach sie auf, ja, so ist’s gut, schau dich um. Der Himmel ist immer fünf oder sechs Stockwerke entfernt. Die Wände sind meist grau. Wären sie weiß, würden sie im Laufe der Zeit dreckig und durch den Dreck: grau. Ich hasse Hinterhöfe. Sie riechen nach verbranntem Essen, nach Müll, nach Moschus, nach Zeugungsvorgängen. Denn kein Wind regt sich hier. Keine Luft kommt daher, um alles mal aufzumachen. Das muss immer dieser eine Typ im Block machen, vor dem alle Angst haben. Der, der Drogen nimmt, der, wo die eine Frau der anderen die Wohnungstür in die Hand nimmt, der, der nie, niemals die grauen Vorhänge von den Fenstern wegzieht, der, aus dessen Wohnung so oft Geschrei ertönt, Weinen, Schluchzen, das Knallen von Türen. Oder Köpfen an der Wand? Der Typ, von dem eigentlich alle wissen, dass er eines Tages seinen Baseballschläger nimmt, um mit den Kindern im Hinterhof zu spielen. Auf die schlimme Art. Der Typ, von dem manche sagen, er könnte einen Benzinkanister in der Wohnung haben. Und niemand weiß, wofür. Vielleicht, um eines Tages alles abzufackeln. Aber das bereitet keine Sorge. Dann wird hier neu gebaut. Aber wieder mit Hinterhof. Garantiert. Du blickst hinein und weißt, du hast verschossen, du bist eingelocht. Wo du auch hinblickst. Wände, Fenster, Vorhänge, ein paar Blicke durch die Spalten eines Rollladen. Die Mülltonnen stehen links von der Einfahrt. Die Fahrräder rechts. An der gegenüberliegenden Seite steht vielleicht ein altes Auto. Schon angerostet. Angeschimmelt. Mit dem Schimmel, dessen Sporen aus den Wohnungen in den Hinterhof gelangen. Oder ist es umgekehrt? Ein Hinterhof, unendliche Albträume. So ist das. Ich hasse Hinterhöfe. Keine Sonne. Viel Schatten. Wenn man Glück hat, regnet es. Wenn du dich umbringen willst, aber nie so richtig in Stimmung kommst, dann miete dich hier ein. Such dir eine Stelle mit Nachtschicht. Such dir einen Partner mit narzisstischen Zügen. Hol dir eine Flasche Rotwein für den Abend. Setz dich ans Fenster. Schau in den Hinterhof. Und denk über dein Leben nach. Die schlechten Entscheidungen, die bösen Erinnerungen, die vergebenen Chancen. Lausche dem Refrain des Alltags, hör ihn kreischen, auflachen und, vor allem, rumbrüllen: „Verdammte Scheiße, du Hurensohn, ich hab dir schon hundert Mal gesagt, dass du nicht drinnen rauchen sollst. Abgewaschen hast du auch nicht. Komm her! Komm, sofort hierher.“ Und eigentlich muss ich nicht beschreiben, was die Stimme dem Ohr zeigen will, dem sie gilt, oder? Das weißt du so gut wie ich. Menschen sind fürchterlich. Hinterhöfe sind fürchterlich. Hinterhöfe sind Ansammlungen schlechter Gedanken. Mich wundert sich, wie lang die Menschen das aushalten. Warum man nicht mehr „Gesprungene“ findet. Und von all dem erzählen die Fassaden. Es steht geschrieben. Als Rinnsal vergangener Regenfälle unter hölzernen Fensterrahmen, wie man sie heute sonst nirgend mehr verwendet. Die raue Schale aus dunklem Stein verbirgt und zeigt zugleich. Die Risse in der Fassade. Aber das sind nur Sinnbilder. Mein Blick erfasst diese Drohung sofort, in einem, als Ganzes. Und dieser Blick liest Erzählungen aus dem Gewohnten. Er gleitet nicht mehr ab. Er streift nicht mehr im Vorbeigehen, wie blind eigentlich. Jetzt forscht er, spielt gestaltet. Vielleicht dreht er frei. Dieser Blick ist immer Geist, immer anwesend bei sich und der Welt. Und er ist ganz Existenzialist. Immer. Das sind wir alle.
Wir haben die Möglichkeit, eine Zeit lang staunen zu können.
Jetzt. Hier. Eingepfercht in der Bahn. Umgeben von gemeinen Hinterhöfen voller
dunkler Geschichten. Irgendwann werde ich vielleicht eine dieser Geschichten
nehmen und einen Roman daraus machen. Vielleicht auch nicht. Aber in jedem Fall
läuft hier eine Geschichte, die eines Blickes, eines Ohres, eines Bewusstseins.
Wie auch immer. Und diese Geschichte hat einen Protagonisten. Wir wissen, dass
diese Geschichte furchtbar enden wird, nur ist uns unbekannt, wann. Wir wissen,
dass diese Geschichte und ihr Protagonist sich gelegentlich sich selbst vergessen.
Es handelt sich schließlich bei beiden um niemand anderen, als uns. Aber ab und
an werden wir wach, schauen uns um, beginnen zu sehen. Und in diesem Moment, zumindest
für diesen Moment können wir wählen. Am Anfang war der Schmerz, am Ende
wird er uns wieder besuchen und mit sich nehmen. In der Zwischenzeit versuchen
wir zu leben. Auch das ist eine Entscheidung: Leben! Wirklich leben! Oder doch nur
überleben? Aber wenn überleben: wofür eigentlich?
Die Bahn hält. Ich mache mich mal auf den Weg, um einige Stunden freundlich zu lächeln, während ich Theaterkarten einreiße oder Jacken annehme. Wie gestern. Wie morgen. Doch gehe ich den Weg anders jetzt. Als meinen! Und ab und an erzähle ich davon. Wie willst du selbst es halten?
(André van Markow)