Montag, 31. Juli 2023

Kunstkucken, Gunstgucken, Augenblick




André van Markow und Ina Elbracht sehen manchmal Unverhofftes. Hier im fortgeschrittenen Zustand einer Epiphanie. Im Hintergrund: Glasinstallation von Daria Koltsova aus der Ausstellung "Ukrainische Moderne 1900-1930" im Museum Ludwig, Köln.

Was Elstern glitzernde Gegenstände, sind Elas Omere glänzende Oberflächen. Da kann er nicht vorbei. Nicht mal beim Schnürsenkelzubinden. Zumindest nicht ohne Selfie. Hier spiegelt er sich in "11 Scheiben" von Gerhard Richter, 2003.



Nun aber zum Beitrag, der da lautet:

Elas Omere besucht eine Rausstellung


Ursula - Das bin ich. Na und? Reste der Ausstellung am 28.07.2023 im Museum Ludwig, Köln.

Elas Omere, was ist das eigentlich für einer? Jemand, der sich vor einer Verabredung Zähne und Schuhe putzt und allbekannt pünktlich ist, oder doch eher der Typ, der mit schlechtem Atem und Kaffee im Pappbecher angeschlurft kommt, sich ausstreckt und behauptet, dass ein gutes Pferd knapp spränge? Ich weiß es nicht. Weder noch, wahrscheinlich. Aber jedenfalls ist er, so viel steht fest, keiner, der vor seinem Aufbruch nachschauen würde, ob die Ausstellung, welche er besuchen möchte, auch wirklich noch gezeigt wird. Fühlt er sich arglistig getäuscht, weil überall noch die Werbung klebt und die Retrospektive der Künstlerin weitsichtbar in großen Lettern an den Museumswänden verkündet steht und ihm die Misere erst nach dem Erwerb der Eintrittskarte auffällt? Nee, so einer ist Elas Omere nicht, auf keinen Fall. Er lebt immer im Moment und feiert das Zufällige, Beiläufige genauso wie das Große und Einprägsame. Er ist sozusagen der personifizierte Moment oder die kleinen Augenblicke, die sich zu einem großen Augenblick zusammensetzen. Blicke. Mal hier- und mal dorthin. Immer großzügig geschenkt, nie achtlos geworfen. Elas Omere schlendert durch die Dauerausstellung. Vieles kennt er, erkennt er, sieht es nun etwas anders als zuvor. Er stellt fest, dass ihn in die Jahre gekommene Textilkunst gruselt und Strukturen, die sich regelmäßig oder ausgeflockt erheben, ihm unbehaglich sind. So ähnlich wie Trypophobie, nur andersrum. Und er bemerkt erstaunt, dass Matratzen in der Kunst ein eigenes Sujet zu sein scheinen. Wenn man davon ausgeht, dass die meisten Menschen in einem Bett sterben, ergibt das schon Sinn, findet er. „Es gibt am Ende nichts, was festgehalten werden muss“, sagt er dazu.

Und dann kann er plötzlich von einer Empore aus unten die Reste der Ausstellung sehen. Vieles ist bereits verpackt, Dreiecke in Folien, Rechtecke in Tüchern und Kisten. Aber da sind auch noch Stellwände und einzelne Bilder an den Wänden oder auf Packtischen. Er betrachtet die Bilder einer Rausstellung, einem – da in diesem Moment keiner daran arbeitet – Prozess, der selbst wie ein arrangiertes Kunstwerk wirkt, eine Installation und doch keine sein kann, da sie ganz zufällig zustande kam. Nur für diesen Moment, nur für ihn, den Zaungast von der Empore aus dem Treppenhaus.
„Ursula – Das bin ich. Na und?“ hieß die Ausstellung vor der Rausstellung und es hätte Elas Omere interessiert, warum dieses Zitat der Künstlerin als Titel gewählt wurde. Er wird es nun nicht erfahren. Zumindest nicht von hier oben. Es klingt selbstbewusst. Und das allein ist ja schon mal gut. Er sieht, dass Ursula schmale, hohe Schranktüren mit Frauenfiguren bemalt hat und denkt an Ateliers, in denen er gewesen ist und Bilder, in die er sich verliebt hat. Er entdeckt Türknäufe, die noch ins Holz geschraubt sind und ihn überkommt Traurigkeit. Weil eben manches mit Pomp und in Würde im Museum landet und anderes in Kellern und auf Dachböden verstaubt. Elas Omere hat kein habgieriges Herz, doch der sich ankündigende Verlust dauert ihn. Weil Zufälle über so vieles entscheiden: Welche Schrankwand vom Sperrmüll jemand nach Hause schleppt und bemalt, wer sie zu sehen bekommt und wie ihre Geschichte weitergeht. Alles im Trudeln der Zeit, in der manchmal nachdrücklich und laut, aber doch weitaus öfter klammheimlich und schleichend ein Künstler oder eine Künstlerin in den Ruhestand geht. Rausstand. Am Ende gibt es nichts, das festgehalten werden muss. Oder kann. Jedem Ende wohnt ein Schaudern inne.



Sich abschließend spiegeln in Robert Rauschenberg: Black Market, 1961, Museum Ludwig, Köln. Am Ende gibt es wohl nur eine Richtung. Schade.


Link zur Ursula-Ausstellung: Hier!


(Beitrag von Ina Elbracht)






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